Die Unsterblichkeit ist etwas, was die Menschheit schon seit Urzeiten fasziniert. Und mittlerweile präsentiert die moderne Wissenschaft Techniken, die zumindest eine Verlängerung des Lebens möglich erscheinen lassen. So predigen einige Visionäre, wie etwa der Altersforscher Aubrey de Grey, dass ein 1000-jähriges Leben schon bald möglich sein wird. Von solch umstrittenen und fragwürdigen Prophezeiungen einmal abgesehen, ist das Ziel der Mehrheit der Anti-Agingforscher nicht unbedingt ein längeres, sondern vielmehr ein möglichst langes gesundes Leben. Die bisher vielversprechendste Methode, die durchschnittliche und maximale Lebenszeit bei guter Gesundheit zu verlängern, ist die Kalorienreduktion. Seit mehr als 70 Jahren erforschen Wissenschafter dieses Phänomen bei verschiedenen Tierarten. Dabei liessen sich Verlängerungen der Lebenszeit bis um 30% zeigen! Die Relevanz der Ergebnisse für den Menschen bleibt umstritten. Eine neue Studie an Rhesusaffen und Selbstversuche von Menschen scheinen den Effekt aber zu bestätigen.

Weniger Alterskrankheiten bei Affen

1934 wurde erstmals berichtet, dass eine stark reduzierte Kalorienaufnahme bei genügender zufuhr aller lebenswichtigen Nährstoffe die durchschnittliche und maximale Lebensdauer von Mäusen verlängert und das Auftreten von altersbedingten Krankheiten verzögert. Seitdem haben Hunderte von Studien eine Verlangsamung der Alterung bei Hefezellen, Fruchtfliegen, Würmern, Fischen und Mäusen sowie Ratten aufgezeigt. 1989 begann im Nationalen Primatenforschungszentrum in Wisconsin eine Langzeitstudie an Affen. Dabei wurde die Kalorienaufnahme von 30 erwachsenen, männlichen Rhesusaffenl angsam reduziert, und zwar um 30% der vorher individuell bestimmten Basisversorgung der Tiere. 1994 wurden 30 Weibchen und nochmals 16 Männchen zusätzlich in das Programm aufgenommen. Nun haben Ricki Colman und Richard Weindruch von der Wisconsin-Unviersität im Wissenschaftsmagazin „Science“ über die bisherigen Ergebnisse dieses Versuches berichtet. Die Affen auf Diät wirkten laut den Forschern äusserlich deutlich jünger als die Kontrolltiere, die eine normale Futtermenge erhielten. Sie verloren an Fettmasse und der altersbedingte Abbau von Muskelmasse wurde verlangsamt. Ihr Blutzuckerspiegel war deutlich besser, und es trat kein einziger Fall von Diabetes auf, während in der Kontrollgruppe 5 daran erkrankten und 11 als prädiabetisch diagnostiziert wurden. Die Anzahl der Krebserkrankungen war von 8 in der Kontrollgruppe auf 4 in der Diätgruppe reduziert und der altersbedingte Abbau der grauen Hirnmasse in einigen Arealen verlangsamt. Insgesamt traten  zwei Drittel weniger altersbedingteKrankheiten in der Diätgruppe auf. Die Forscher untersuchten auch die Todesursacheder verstorbenen Affen. Während von den ursprünglich 76 Tieren 14 aus der Kontrollgruppe an altersbedingten Erkrankungen verstarben, waren es in der kalorienreduzierten Gruppe nur 5!

100-Jährige auf Okinawa 

Auch wenn Affen dem Menschen in vielen physiologischen Abläufen sehr ähnlich sind, so heisst das nicht, dass eine Kalorienreduktion beim Menschen auch eine solch positive Auswirkung auf die Gesundheit hat. Dies könnte nur durch sehr aufwendige Langzeitstudien bestätigt werden. Dennoch gibt es Hinweise, dass eine solche Diät beim Menschen ähnliche Effekte zeigt.  Ein Beispiel sind die vielen 100-jährigen auf der japanischen Insel Okinawa, wo die Menschen laut einer Studie  im Beobachtungszeitraum von 1949 bis Ende der 1960er Jahre11 Prozent weniger Kalorien einnahmen. Dies lag nicht nur an der okinawischen Maxime “ Iss bis der Magen zu 80 Prozent gefüllt ist“, sondern vor allem an der schwierigen Wirtschaftslage auf der Insel. Zucker- und fetthaltige Nahrungsmittel konnten sich nur wenige leisten, die Ernährung bestand hauptsächlich aus Süsskartoffeln und grünem oder wurzelhaltigem Gemüse. Auf Okinawa leben nicht nur viele 100-Jährige. diese erfreuen sich auch einer sehr guten Gesundheit. Ihr Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, und Diabetes zu leiden, ist deutlich geringer als bei den Durchschnittsjapanern. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass die Menschen dies anderen Einflüssen, wie der Genetik, speziellen Nährstoffen oder der traditionellen Lebensweise zu verdanken haben.

Neue Zürcher-Zeitung; Lena Stallnach, Forschnung und Technik; 29. Juli 2009